Anstellgut, kurz ASG, ist deine lebendige Starterkultur für Sauerteig und besteht nur aus Mehl und Wasser. Darin wohnen viele Milchsäurebakterien und wilde Hefen, die du beim Auffrischen mit Wasser und Mehl fütterst und die später deinen Teig luftig machen. Sie bilden Gärgase, sorgen für viel Aroma und machen dein Brot länger saftig. Du kannst dir das ASG wie eine Mutterkultur vorstellen, die du im Glas hegst und pflegst. Damit bist du immer bereit, um daraus den nächsten Sauerteig (Vorteig) für dein Brot anzusetzen.

Wofür brauche ich Anstellgut beim Brotbacken?
Damit dein Teig aufgeht, für den Geschmack und eine gute Frischhaltung.
Mit einem aktiven ASG lockert sich dein Teig ganz ohne zusätzliche Industriehefe. Gleichzeitig entsteht dieses typische, runde Sauerteig-Aroma – mal milder, mal kräftiger, je nach Führung. Und nicht zuletzt bleibt die Krume länger frisch, weil die Säuren der Mikroorganismen das Altbackenwerden hinauszögern.
Unterschied zwischen Anstellgut, Sauerteig & Starter?
- Anstellgut (ASG): Deine Basis-Kultur im Glas. Du fütterst sie regelmäßig, lagerst sie (meist im Kühlschrank) und nimmst davon kleine Mengen ab für neuen Sauerteig.
- Sauerteig/Vorteig (auch „Levain“): Eine frisch angesetzte Mischung aus ASG + Mehl + Wasser, die einige Stunden reift und dann in den Brotteig wandert.
- Starter ist nur der Oberbegriff und wird vor allem im englischsprachigen Raum verwendet – im Deutschen meinen wir damit meistens das Anstellgut.
So setzt du dein eigenes Anstellgut an
Ein Anstellgut entsteht, indem du Mehl und Wasser mischst, warm stellst (ideal 26–28 °C) und täglich mit frischem Mehl und Wasser fütterst. Starte gern mit Vollkorn (da sitzen viele Mikroorganismen auf der Schale) und wechsle nach ein paar Tagen auf dein Zielmehl (z. B. Weizen 550, Dinkel 630 oder Roggen 1150). Du erkennst die Reife daran, dass sich der Ansatz nach dem Füttern deutlich verdoppelt, feinbläsig-schwammig wirkt und mild joghurtartig duftet, dann ist er backbereit. Für die feste, milde Variante – den italienischen Weizensauerteig – führst du den Teig einfach fester mit hellem Weizenmehl und fütterst im 1:2:2-Verhältnis, so entsteht ein Lievito Madre mit viel Triebkraft und wenig Säure.
Eine ausführliche Schritt-für-Schritt-Anleitung findest du hier:
➞ Ausführlich & anfängerfreundlich: Sauerteig ansetzen – Schritt für Schritt
➞ Für die feste, milde Weizen-Variante: Lievito Madre ansetzen & pflegen

Anstellgut pflegen & auffrischen
Dein Anstellgut (ASG) ist wie ein kleines Haustier, das Pflege braucht: regelmäßig füttern, warm halten, sauber arbeiten, dann bleibt es zuverlässig aktiv und ist jederzeit für dein nächste Brotprojekt einsatzbereit. Ich bewahre mein ASG separat auf und frische es regelmäßig auf. Mir ist es nämlich schon einmal passiert, dass ich ausversehen mein gesamtes aufgefrischtes Anstellgut an einen Teig gegeben habe.
Wie oft füttern?
Aufbewahrung im Kühlschrank (empfehle ich dir für den Alltag):
1–2× pro Woche auffrischen. Dazu eine kleine Menge ASG aus dem Glas abnehmen und im Verhältnis 1 : 2 : 2 (ASG : Wasser : Mehl) füttern. Bei 26–28 °C reifen lassen, bis es sich knapp verdoppelt, dann wieder kalt stellen. So bleibt die Kultur auch stabil, ohne dass du täglich auffrischen musst. Fitness-Check vor dem Backen: Dein frisches, warm geführtes ASG sollte sich in 4–6 Stunden sichtbar verdoppeln, feinporig-luftig aussehen und mild, milchig-säuerlich duften.
Führung bei Raumtemperatur:
Hier solltest du täglich füttern (z. B. 1 : 5 : 5 oder 1: 10 : 10). Halte die Menge klein und füttere deinen Starter vor Backtagen gezielt hoch, damit du genug aktives ASG zur Hand hast, um deinen Sauerteig damit anzusetzen.
→ Hier findest du meinen ausführlichen Guide zu Sauerteig füttern.
Die ideale Temperatur für aktives Anstellgut
Wärme ist DER entscheidende Faktor für deinen Sauerteig, denn dann fühlen sich die Mikroorganismen wohl: 26–28 °C sind ideal.
- Wärmer & weicher geführt → mehr Milchsäure = milderes Aroma.
- Kühler & fester geführt → mehr Essigsäure = kerniger, säuerlicher im Geschmack.
Für den Alltag hat sich dafür bei mir folgendes bewährt: lauwarmes Wasser (35–40 °C) zum Füttern nehmen und an einem konstant warmen Ort stellen (z.B. Ofenlampe, Mini-Gärbox*, Isolierkiste mit Wärmflasche oder Heizmatte* mit Thermostat).
Flüssig oder fest – was ist besser?
Beides funktioniert gut! Letztendlich ist das auch Geschmackssache und entscheidet vor allem über Geschmack und Handling.
- Flüssiges ASG (80–125 % Hydration, also ca. gleich viel Wasser wie Mehl oder etwas mehr):
Lässt sich schnell und einfach mischen, reift zügig und schmeckt bei warmer Führung eher mild. Ideal als Allrounder und die übliche Führung für Roggensauerteig, Levain (Weizensauerteig) oder Dinkelsauerteig.
- Festes ASG (≈ 50–60 % Hydration):
Ist robust, übersteht Pausen gut und bringt vor allem bei kühler Führung kräftigere, essigsäuerliche Aromen mit sich. Üblich ist die feste Führung vor allem bei Lievito Madre (LM) mit hellem Weizen- oder Dinkelmehl – LM ist aber trotzdem sehr mild, da er häufig gefüttert und warm geführt wird.

Mein Tipp
Führe dein ASG so, wie du meistens backst. Du bäckst gern Roggenbrote oder rustikale Mischbrote? Dann eher weich halten, warm führen und mit Roggenmehl füttern. Du bäckst gern mit Weizen und Dinkel oder süßes Gebäck? Dann füttere dein ASG mit hellem Weizen- oder Dinkelmehl und stelle es warm. Führe es auch gern fester als Lievito Madre, mit kurzen, warmen und häufigen Auffrischungen.
Anstellgut richtig lagern
Im Kühlschrank aufbewahren
- Ort & Temperatur: Mittleres oder besser unteres Fach und weit hinten, bei ca. 5 °C. Nicht in die Tür stellen (zu warm, Temperaturen schwanken zu stark).
- Gefäß: Sauberes Glas mit locker aufliegendem Deckel – nie luftdicht, damit kein Kondenswasser entsteht.
- Füllhöhe: Max. halb voll. Besser das Glas nur zu einem Drittel füllen, denn dein ASG braucht Platz zum Aufgehen, das passiert auch im Kühlschrank noch etwas.
- Rhythmus: 1–2× pro Woche frisch füttern (z. B. 1 : 2 : 2), warm bis zur knappen Verdopplung reifen lassen, erst dann zurück in den Kühlschrank geben).
- Reaktivieren vor dem Backen: 1–2 warme Auffrischungen bei 26–28 °C, bis es sich in 4–6 h verdoppelt und mild-säuerlich duftet. Wenn du dein ASG ganz regelmäßig pflegst und es aktiv ist, kannst du meist direkt damit deinen Sauerteig für dein nächstes Brot ansetzen.
Warum erst warm, dann kalt? Beim warmen „Anspringen“ tankt dein Starter Energie, es ist wie eine kleine Wellness-Kur. Direkt in den Kühlschrank ohne vorherige Aktivierung in der Wärme macht dein ASG auf Dauer träge.
Einfrieren – klappt das wirklich?
Meine ehrliche Meinung: Einfrieren funktioniert zwar, aber trocknen ist deutlich zuverlässiger (siehe nächster Punkt). Beim Einfrieren stirbt ein Teil der Mikroorganismen ab, je länger dein ASG eingefroren ist, je mehr sterben ab. Eine Reaktivierung wird mit der Zeit immer schwieriger. Wenn du es trotzdem probieren möchtest, geht das so:
- So frierst du ein: Frisch gefüttertes ASG eine Stunde anspringen lassen, dann dünn in Eiswürfelformen oder kleine Beutel füllen, schnell einfrieren.
- Auftauen & Wiederbeleben: Über Nacht im Kühlschrank auftauen, Raumtemperatur annehmen lassen und 2–3 warme Auffrischungen geben (z. B. 1 : 2 : 2). Erst backen, wenn es wieder sicher in 4–6 Stunden verdoppelt.
➞ Trocknen ist die sicherste Backup-Variante!
- So geht’s: Verstreiche zuvor aufgefrischtes ASG dünn auf einem Bogen Backpapier und lass es an der Luft trocknen (ca. 24–48 Stunden, nicht in die Sonne). Danach einfach zerbröseln und luftdicht, kühl und dunkel lagern.
- Haltbarkeit: etwa 6–12 Monate.
- Reaktivieren: 1 Teil Brösel + 2 Teile lauwarmes Wasser, 30 Min. quellen lassen, dann 1 Teil Mehl einrühren und warm stellen (26–28 °C). 2–3 Auffrischungen genügen meist, bis es sich wieder in 4–6 h verdoppelt.
Pflege während des Urlaubes
Du bist 2 Wochen im Urlaub: Vor der Abreise fester füttern als gewohnt, also mit geringerem Wasseranteil und nur 30–60 warm stellen. Dann möglichst kalt stellen (ca. 3–4 °C. Das fährt den Stoffwechsel der Mikroorganismen in deinem ASG etwas herunter und die Nahrung aus dem Mehl reicht länger als sonst.
Du bist etwa 3–4 Wochen im Urlaub:: Füttere wie oben beschreiben und mache unbedingt zusätzlich eine Trockensicherung. Noch besser und mein bester Tipp bei längerer Abwesenheit: Wie oben beschrieben füttern, eine Stunde warm stellen und danach mit so viel Mehl zerkrümeln, bis du die Konsistenz von rohem Streuselteig hast. Das füllst du in ein sauberes Glas, legst den Deckel locker auf und stellst es bei 3–4 °C in den Kühlschrank. So hält dein ASG besonders lange durch.
Nach der Heimkehr: 2–3 warme Auffrischungen nacheinander machen, danach ist dein ASG in der Regel wieder voll einsatzbereit und verdoppelt sich wieder zuverlässig in 4–6 Stunden. Wen du die „Streuselteig-Variante“ reaktivieren möchtest, brauchst du nur zusätzlich etwas mehr Wasser, bis zu wieder die gewohnte Konsistenz erreicht hast.

Anstellgut verwenden
Zu Sauerteig weiterverarbeiten
Wenn du Brot mit Sauerteig backen willst, fütterst du dein Anstellgut zuerst – du setzt damit den Sauerteig/Vorteig für dein Brot an (je nach Rezeptvorgabe). Wichtig: nie dein gesamtes ASG verbrauch, sondern immer etwas übrig behalten, damit du wieder neuen Sauerteig damit ansetzen kannst. Beachte immer die Reifezeichen: deutliche Verdopplung bis Verdreifachung, fein-luftige Struktur, mild joghurtartiger Duft. Erst dann in den Hauptteig geben.
Tipp aus meiner Backpraxis: Wenn dein ASG länger im Kühlschrank war, einmal extra vorab frisch auffrischen (1:2:2 bei 26–28 °C) und am Peak verwenden, das bringt spürbar mehr Ofentrieb.
Direkt verbacken – Auffrischbrote & schnelle Ideen
Überschüssiges, nicht aufgefrischtes ASG gehört nicht in „echte“ Sauerteigbrote, vor allem ohne zusätzliche Hefe. Hier reicht die Triebkraft meist nicht aus und das Aroma wäre zudem sehr säuerlich. Aber es ist viel zu schade, um es zu entsorgen und perfekt als Aromabooster für Cookies, Waffeln & Co – sogenannte Auffrischrezepte mit Sauerteigresten.
Aufbewahrung: Discard (ASG-Reste) 1-2 Wochen im Kühlschrank sammeln oder portioniert einfrieren (z. B. 50–100 g). Zum Verarbeiten auftauen lassen und nach Wunsch verbacken.
Das sind meine liebsten Auffrischrezepte:
- Schoko-Muffins mit Kirschen
- Mischbrot mit Sauerteigresten
- Auffrischbrötchen „Julchen“
- Rosmarin Cracker
- Schwedische Hafercookies

Anstellgut ersetzen & umzüchten
Hefe statt Anstellgut – geht das?
Theoretisch ja – aromatisch nein. Rein technisch kannst du Anstellgut durch Hefe ersetzen. Das Brot geht dann auch gut auf, aber: Dir fehlen die typische Sauerteig-Säure und die vielschichtigen Aromen und oft auch die bessere Frischhaltung. Wenn dein Starter mal schwächelt, nimm zusätzlich lieber ein kleines bisschen „Sicherheitshefe“: 0,5–2 g Frischhefe zusätzlich zum Sauerteig im Hauptteig. So bleibt der Sauerteig-Charakter erhalten und du bekommst zuverlässig Trieb.
Kein eigenes Anstellgut? Dann ist ein Hefevorteig eine tolle Lösung. Er ersetzt zwar keinen Sauerteig, bringt aber deutlich mehr Aroma und eine bessere Teigstruktur als „Hefe pur“:
- Poolish (weicher Hefevorteig) – das Gegenstück zu weichem Sauerteig
1 Teil Mehl : 1 Teil Wasser, 0,1–1 % Hefe (bezogen auf die Mehlmenge im Poolish). 10–12 Std. bei ca. 20–22 °C reifen lassen, bis er blubbert und sich verdoppelt bis verdreifacht hat. Perfekt für offene Krumen und milde Aromen, manchmal duftet er auch leicht hefig oder angenehm aromatisch bis säuerlich (joghurtartig). - Beispiel (statt 200 g Sauerteig): 100 g Mehl (vom Rezept abzweigen) + 100 g Wasser (vom Rezept abzweigen) + 0,1 g Frischhefe; Alles mischen und 10–12 Stunden bei Raumtemperatur reifen lassen und im Rezept antelle des Sauerteig nutzen. Ein Poolish kann sowohl mit Weizen-, Dinkel- und Roggenmehl angesetzt werden.
- ➞ Hier findest meinen Guide zu Poolish mit Anleitung & Tipps
- Biga (fester Hefevorteig) – das Gegenstück zu Lievito Madre
- Hydration 45–55 % (also 1 Teil Mehl : 0,45–0,55 Teile Wasser), 0,1–1 % Hefe (bezogen auf die Mehlmenge in der Biga). 12–16 Std. bei 18–20 °C reifen lassen, bis die Biga locker-porig aussieht und aromatisch-blumig riecht und sich deutlich vergrößert hat. Ergebnis: mehr Stand und Struktur, gleichmäßige und lockere Porung, runder Geschmack – ideal auch für Dinkel, weil die Biga dem Teig Stabilität gibt.
- Beispiel (statt 150 g festen Sauerteig): 100 g Mehl (vom Rezept abzweigen) + 50 g Wasser (vom Rezept abzweigen) + 0,5 g Frischhefe zu einer festen Biga verkneten und 10–12 Std. kühl reifen lassen.
- ➞ Hier findest du meinen Guide zu Biga mit Anleitung & Tipps
Von Roggen auf Weizen umzüchten (und umgekehrt)
Hierfür kannst du dein Anstellgut einfach mehrfach hintereinander mit der neuen Mehlsorte auffrischen (z. B. 3–5× im 12–24-Stunden-Rhythmus). So passt sich die Mikroflora so stellt sich die Mikroflora Stück für Stück um. So geht’s:
- 1:2:2 mit Zielmehl (z. B. 20 g ASG + 40 g Wasser + 40 g Zielmehl) auffrischen und bei 26–28 °C bis zur guten Verdopplung reifen lassen .
- Fütterung genauso 3–5 Mal wiederholen (etwa alle 12–24 Stunden).
- Danach hat sich die Mikroflora meistens schon umgestellt und wird mit jeder weiteren Fütterung stabiler.

Häufige Probleme & Lösungen
Anstellgut geht nicht mehr auf – was tun?
Meist wurde es zu kalt geführt oder es ist ausgehungert. 2–3 warme Auffrischungen (1:2:2 bei 26–28 °C) machen dein ASG in den meisten Fällen wieder fit. Hierbei vor allem auf die Volumenzunahme und einen mild-joghurtartigen Duft achten.
Anstellgut riecht unangenehm – ist es noch zu retten?
Riecht dein Sauerteiganstellgut streng, „käsig“ oder sogar nach Aceton, ist es überreif und hat Hunger. Füttere es 2–3-mal hintereinander warm (ca. 26–28 °C) und lass es bei jeder Fütterung bis zur guten Verdopplung reifen. Dann kehrt der milde, joghurtartige Duft zurück.
Falls sich neben dem unangemeh,en Geruch zusätzlich rosa- oder orangefarbene Flecken, pelzige/haarige Beläge zeigen – das ist leider Schimmel. Bitte den Starter konsequent entsorgen, Glas und Werkzeuge gründlich heiß reinigen und mit frischem Mehl und Wasser neu starten.
Füttern vergessen – und jetzt?
Keine Panik, ein paar Tage länger ohne Füttern kann dein Anstellgut gut aushalten. Falls du es lange nicht gefüttert hast und sich auf der Oberfläche eine graue Flüssigkeit „Fusel“ gebildet hat, gieße sie ab und entnehme eine kleine Menge ASG aus der Mitte (sozusagen aus dem Herz). Frische dieses ASG im Verhältnis 1:1:1 (Starter: Wasser: Mehl) auf und lass es warm bei 26–28 °C reifen, bis es sich gut verdoppelt hat. Wiederhole die Auffrischung 1–2×. So ist dein Anstellgut meist schnell wieder aktiv, mild und triebkräftig.