Übernachtgare beim Brotbacken – Was steckt dahinter?
Die Übernachtgare ist eine bewährte Methode beim Brotbacken, bei der der Teig über viele Stunden – zum Beispiel 8 bis 24 – reift. Diese lange Ruhezeit findet entweder bei Raumtemperatur oder im Kühlschrank statt. Das Ergebnis: ein aromatisches, bekömmliches Brot mit lockerer Krume und knuspriger Kruste.
Welche Vorteile hat die lange Gare und bringst sie bessere Ergebnisse?
- Mehr Aroma: Mikroorganismen wie Hefe und Milchsäurebakterien produzieren während der langen Reifezeit vielfältige Aromastoffe. Dadurch entsteht ein Brot mit komplexem Geschmack.
- Bessere Verträglichkeit: Die gebildeten Säuren bauen Phytinsäure im Mehl ab. So verbessert sich die Mineralstoffverfügbarkeit und das Brot wird leichter verdaulich.
- Stabile Struktur: Durch die langsame Reifung entwickeln sich Kleberstrukturen besser, Gärgase werden stabiler gehalten, und der Teig lässt sich leichter verarbeiten.
- Teigentwicklung: Enzyme und Zeit übernehmen einen Großteil der Arbeit. Das Glutengerüst stabilisiert sich auch ohne intensives Kneten.
- Aromatische Kruste: Enzymatisch gebildete Zucker wie Maltose und Dextrine fördern die Maillard-Reaktion – sie sorgt für eine schön gebräunte und geschmackvolle Kruste.

Übernachtgare bei Raumtemperatur vs. kalter Gare im Kühlschrank
Übernachtgare bei Raumtemperatur (18–22 °C)
Ideal für kühle Räume. Der Teig reift meist 8–12 Stunden, vorwiegend als Stockgare.
Vorteile:
- kein Platz im Kühlschrank erforderlich
- Akklimatisieren ist nicht nötig (mögliche Zeitersparnis)
- lange Reifung mit mildem Aroma
- sehr wenig Triebmittel, wie Hefe oder Sauerteig nötig
Tipps:
- Hefe stark reduzieren (z. B. 0,5–1 g Frischhefe auf 500 g Mehl)
- Konstante Raumtemperatur beachten
Kalte Übernachtgare im Kühlschrank (4–6 °C)
Hier reift der ungeformte Teig (Stockgare) oder der geformte Teig (Stückgare) je nach Rezept mindestens 8 bis 16 Stunden oder sogar bis zu einigen Tagen (z. B. bis zu 72 Stunden.) im Kühlschrank. Bei kalter Übernachtgare mit Sauerteig, insbesondere bei sehr langen Reifezeiten, kann es zu einem säuerlicheren Aroma kommen, als bei Übernachtgare bei Raumtemperatur.
Vorteile:
- Intensiveres Aroma
- Flexiblere Backplanung
- Gleichmäßige Porung und bessere Frischhaltung
- ideal bei sommerlichen Temperaturen
Tipps:
- Hefe reduzieren (z. B. 1–3 g Frischhefe auf 500 g Mehl)
- Teig vor der Kühlschrankgare 30–60 Minuten anspringen lassen, bei süßen Hefeteigen mit höherem Butteranteil sogar 1–2 Stunden
- Nach der kalten Stückgare kann man oft direkt backen oder braucht den Teigling nur kurz akklimatisieren lassen.
- Nach der kalten Stockgare ist in der Regel ein längeres Akklimatisieren von z. B. 1–2 Stunden nötig, bevor der Teig geformt werden kann.

Welche Vorteile hat Übernachtgare beim Brotbacken?
- Bildung von mehr komplexer Aromen
- Deutlich bessere Verträglichkeit
- Gleichmäßige Krume und schöne Kruste
- Geringerer Knetaufwand – perfekt für No-Knead-Teige
- Flexibilität beim Backzeitpunkt
- Längere Frischhaltung
Mögliche Nachteile einer langen Gare beim Brotbacken
- Mehr Planung und Wartezeit nötig
- Risiko der Übergare bei zu hoher Temperatur oder zu viel Hefe
- Platzbedarf im Kühlschrank
- Nicht geeignet für spontane Backprojekte
- Vermehrte Säurebildung ist bei Sauerteigrezepten und langer kalter Gare möglich
FODMAPs & Übernachtgare – Besser verträglich durch lange Reife
FODMAPs sind kurzkettige, schwer verdauliche Zuckerstoffe (fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und Polyole), die in vielen gängigen Getreidesorten – vor allem in Weizen – enthalten sind. Sie können bei empfindlichen Personen (z. B. mit Reizdarm) Blähungen, Bauchschmerzen oder Unwohlsein auslösen.
Die gute Nachricht: Eine lange Teigführung wie die Übernachtgare senkt den FODMAP-Gehalt deutlich. Mikroorganismen wie Hefen und Milchsäurebakterien bauen diese Zuckerstoffe über Stunden ab. Besonders in Verbindung mit Sauerteig lassen sich FODMAPs noch gezielter reduzieren.
Tipp: Wer empfindlich auf Weizen reagiert, sollte lang gereifte Teige (mind. 12 Stunden Gare) bevorzugen.
Hilfreiche Tools für die Übernachtgare – so bewahrst du deinen Teig richtig auf
Während der Reifezeit – insbesondere wenn sie sehr lang ist wie bei der Übernachtgare – darf der Teig nicht austrocknen. Daher ist ein gutes Abdecken immer sehr wichtig.


Eine Teigwanne mit Deckel aus Kunststoff für die Stockgare.
Brot- und Brötchenrezepte mit Übernachtgare
In meiner Rezeptsammlung gibt eine Vielzahl von Brotrezepten mit Übernachtgare oder auch Brötchenrezepte mit langer Reifezeit.
Damit du direkt findest, wonach du suchst, habe ich die Rezepte nochmal in Unterkategorien angelegt, mit langer Gare im Kühlschrank oder bei Raumtemperatur:
- Rezepte für Brot mit langer kalter Gare
- Rezepte für Brot mit Übernachtgare bei Raumtemperatur
- Rezepte für Brötchen mit langer kalter Gare
- Brötchen mit Übernachtgare bei Raumtemperatur
Das sind meine Lieblingsrezepte mit langer Teigfühung:









Häufige Fragen zur Übernachtgare beim Brotbacken
Bei der Stockgare reift der komplette Teig (1. Teigruhe). Bei der Stückgare liegt der Teigling bereits geformt im Gärkörbchen, in der Backform oder auf dem Blech.
Für Übernachtgare bei Raumtemperatur reichen 0,5–1 g Frischhefe auf 500 g Mehl.
Bei kalter Übernachtgare genügen je nach Reifezeit in der Regel 1-3 g Frischhefe.
Verwende wenig Hefe, messe die Umgebungstemperatur (auch im Kühlschrank nachmessen!) und gib den Teig bei Unsicherheit lieber etwas früher in den Kühlschrank.
Der Teig hat sein Volumen verdoppelt, wirkt elastisch und zeigt feine Gärbläschen. Der Fingertest (leichtes Eindrücken) hilft zusätzlich.
Wichtig: Bei Teigen mit kalter Übernachtgare ist der Fingertest nicht aussagekräftig, da die Teigoberfläche durch die Kälte starr und nicht elastisch ist. In diesem Fall ist die Beobachtung der Volumenzunahme zuverlässiger.
Prinzipiell profitieren die meisten Brotteige von einer Übernachtgare.
Insbesondere Baguettes, No-Knead-Teige, Pizzateig, Focaccia oder manche Brötchenteige werden gerne mit Übernachtgare geführt, um ein besonders gutes Aroma und eine elastische Teigstruktur mit lockerer Krume zu entwickeln.
Langzeitgare verbessert nachweislich die Verträglichkeit. Enzyme und Mikroorganismen bauen schwer verdauliche Bestandteile ab (Stichwort FODMAPS).
Ja – jedoch verändern sich Geschmack, Struktur und Gärverhalten bei glutenfreien Teigen.
Ein überreifer Teig wirkt instabil und sackt beim Fingerdrucktest oder bei leichten Erschütterungen in sich zusammen. Das zeigt: Die Teigstruktur ist geschwächt, die Gärtoleranz überschritten. Häufig riecht der Teig dann auch säuerlich oder alkoholisch – ein klares Zeichen dafür, dass die Mikroorganismen zu aktiv waren und zu viel Säure oder Alkohol gebildet haben.